VON EINEM, DER AUSZOG EINEN IMPFTERMIN ZU BEKOMMEN …

26.04.2021, 7:00 Uhr: Heute ist es endlich soweit: Ich kann mich – als 61-Jähriger – impfen lassen! Dachte ich zumindest. Beim Aufruf des Impfportals und Eingabe meines Geburtstags erhalte ich aber den schnöden Hinweis, dass ich noch nicht dran bin. Also suche ich nach einer entsprechenden Pressemitteilung und tatsächlich bestätigt der NDR, dass ab heute die Altersgruppe 60 bis 69 geimpft werden kann.

Ich gehe also wieder auf die Impfportalseite, bestätige irgendwelche dringenden Erklärungen, gebe meinen Geburtstag ein, erkläre wahrheitsgemäß, dass die anderen Kriterien bei mir nicht zutreffen und bekomme als Ergebnis „Keine Impfberechtigung vorhanden“. Hmm!?

Ich vermute, dass der zuständige Programmierer erst um 7:30 zum Dienst erscheint, um den Portalcode auf das neue Alter anzupassen. 

7:45 Uhr: Der Programmierer ist da und hat das Mindestalter geändert. Tatsächlich komme ich – nach einer erneuten Eingabe – eine Stufe weiter. Nun wird mir bestätigt, dass ich zum erlauchten Kreis der potenziellen Impfempfänger gehöre.

Ich muss nur noch meine Postleitzahl eingeben und auf „Suchen“ klicken. Fast sofort wird mir auch das zugehörige Testzentrum des Landkreises angezeigt. Mein Herz macht einen Hüpfer vor Freude. Aber zu früh gehüpft: Dort gibt es keine freien Termine mehr. Muss wohl doch ein Gerücht gewesen sein, dass noch soviel Astra Zeneca Impfstoff übrig sei…

Also klicke ich auf die Warteliste und bekomme eine Seite angezeigt, auf der ich meine Telefonnummer eingeben kann. „Hochprofessionell“, denke ich (auch wenn das Eingabefeld verzweifelt, wenn man einen „-“ in der Telefonnummer eingibt.). Dafür hat die Seite ein tolles Captcha-Feld, mit dem wohl verhindert werden soll, dass sich irgendwelche Bots Plätze auf der Warteliste reservieren können. Darunter steht dann der Anfang eines Satzes, der mir vermutlich mitteilen will, dass ich den Captcha-Code eingeben muss. Ganz sicher bin ich mir nicht, weil der Satz mittendrin abbricht. Ein Eingabefeld gibt es leider auch nicht…

Ich vermute, dass der Andrang durch die Alterskohorten 60 bis 69 gerade sehr stark ist und sich die Seite daher nur zum Teil aufgebaut hat. Ich beschließe, noch einmal von vorne zu beginnen. Routiniert komme ich bis zur Seite mit der Postleitzahl und dem Suche-Knopf. Ich gebe ein, drücke „Suche“ und bin überrascht: Offenbar hat sich in den letzten 20 Minuten die Postleitzahl von Wardenburg geändert. Das muss man mir doch sagen… Nun wird kein Impfzentrum mehr angezeigt und folglich auch kein Wartelistenknopf.

„Systemüberlastung“, vermute ich. Also doch lieber anrufen? Aber ich habe eine ganz schlimme Allergie gegen Warteschlangenmusik. Das ist auch keine Lösung.

8:15 Uhr: Ich mache einen neuen Anlauf mit dem Portal. Man hat anscheinend in der Zwischenzeit gemerkt, dass es Probleme gibt und zeigt daher nach dem Aufruf des Portals eine weiße Seite mit dem erklärenden Text „nginx“ an (Den Font dafür sollte man aber mal etwas größer wählen…)

Es ist sicher nett gedacht, aber so ganz erschließt sich mir der Sinn dieser Botschaft nicht…

Neidisch denke ich an Schleswig-Holstein. Dort soll man den Profis von Eventim das Impfportal überlassen haben. Aber dafür haben wir Niedersachsen halt länger Spaß an unserem System und auch eine intellektuelle Herausforderung.  Buchungssysteme erstellen, die einem einen simplen Wartelisteneintrag in fünf Minuten einrichten, kann doch jeder.

8:45 Uhr – Ein letzter Versuch: Nun hat das System komplett aufgegeben. Es wird eine Seite angezeigt, die einem mitteilt, dass man anrufen soll, aber nur, wenn man über 80 ist.

Ich sinniere darüber, was die mangelnde Impfstoffmenge mit einem Wartelisteneintrag zu tun hat. Eintragen könnte man mich doch auch, wenn aktuell kein Impfstoff verfügbar ist. Und dann schickt man mir eine SMS oder Mail, wenn wieder was da ist und ich an der Reihe bin.

Ich beginne, über eine Auswanderung nachzudenken. Schleswig-Holstein vielleicht. Oder England.

P.S.: Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Am Mittag wusste das System wieder, dass Wardenburg im Landkreis Oldenburg liegt und dass man ein Eingabefeld braucht, um den Captcha-Code einzugeben. Sogar die Authentifizierung mittels SMS-Code danach hat geklappt. Und so bin ich nun glücklicher Besitzer eines Wartelistenplatzes. 😉

P.S.2: Man muss auch Verständnis haben für die verantwortlichen Stellen, denn schließlich müssen sie eine solche Anmeldungswelle zum ersten Mal bewältigen. [Wie? Das ist jetzt schon die dritte Gruppe? Na dann…]

P.S.3: Inzwischen sind 7 Wochen vergangen, in denen ich regelmäßig auf die Niedersächsische Impfportalseite gegangen bin. Ich hatte nämlich gehört, dass manche so einen kurzfristigen Termin bekommen hatten, weil irgendwelche Restmengen verimpft werden mussten (Dies ging also an der Warteliste vorbei.). Für andere Impfzentren stimmte das wohl auch (z.B. in Hannover), aber Wildeshausen hat das nicht mitgemacht und blieb konsequent bei seinem „Keine Impftermine vorhanden“. Seit letzter Woche ist die Impfpriorisierung aufgehoben und nun hört man von fast jedem Gesprächspartner, dass er schon seine Erstimpfung habe…

P.S..4: Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Ich bekam gestern, am 14. Juni 2021, meine Einladung zur Erstimpfung. In Wildeshausen! Ich! (Kleines Problem nur: Die Zweitimpfung liegt mitten in unserem Urlaub im August. Ich werde wohl absagen oder im August von Mittenwald nach Wildeshausen und zurück reisen müssen…)

One thought on “VON EINEM, DER AUSZOG EINEN IMPFTERMIN ZU BEKOMMEN …

  1. Achim, Du bist ein ausgezeichneter Beobachter und Autor. Witzige Feststellungen und überraschende Schlussfolgerungen! Und immer ein breites Grinsen auf dem Gesicht, aber auch mögliche Lösungen oder „Ausreden“ der Verursacher auf Lager. Du hast in der Hundsmühler SpOrtzeitung einen festen Platz in der nächsten Ausgabe sicher! Vielleicht möchtest Du ja einmal der Kolumnist der HuSpOZ werden?

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